Thema Trauerbegleitung: Tipps für den Umgang mit Trauer in der Tierarztpraxis - Oder wie man leichter mit Schwerem umgeht
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Ein geliebtes Tier auf dem Weg über die Regenbogenbrücke zu begleiten, ist nicht nur für die TierbesitzerInnen schwer, sondern erfordert auch vom Tierarztpraxis-Team eine Menge an Kompetenz und Feinfühligkeit. Der Stellenwert unserer Haustiere ist in den letzten Jahren enorm gestiegen, was dazu führt, dass der Abschiedsschmerz ebenfalls schwerer zu tragen ist. Die Trauer nach dem Verlust eines geliebten Tieres ist absolut verständlich und darf natürlich auch gezeigt werden. Um den schweren Schritt der Euthanasie möglichst angenehm zu gestalten, habe ich mit Cordelia Noe von Ciao Miao gesprochen, welche uns einige Tipps zum Umgang mit Tiertrauernden verrät.
Cordelia Noe, die Gründerin von Ciao Miao (https://www.ciao-miao.com/, Instagram @hellociaomiao), hat einen Abschluss in Organisationspsychologie und Sozialwissenschaften und hat sich in der Vergangenheit global einen Namen in der Kreativ- und Kunstbranche gemacht. Nach einer Ausbildung zur Trauerbegleiterin 2023, macht sie nun das Thema der Tiertrauer für Tierhalter und Unternehmen der Tierindustrie und anderen tierspezifischen Experten zugänglich, indem sie maßgeschneiderte Tools entwickelt, um Emotionen nach einem Verlust wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Da ihr die Trauer um ein Tier sehr am Herzen liegt, gründete sie Ciao-Miao.com als digitale Plattform für moderne Tiertrauer, die zahlreiche Dienstleistungen rund um das Thema anbietet, wie z. B. Coaching für Haustierbesitzer, Schulungen für Tierärzte und andere Professionals, sowie einzigartige Erinnerungsstücke wie Urnen, die sie gemeinsam mit internationalen Kreativen entwickelt hat.
Abbildung: Cordelia Noe und Cockermischling Lotti
SG: Hallo Cordelia. Ihr habt ein Unternehmen für Trauerbewältigung bei Tiertrauer gegründet. Dort beratet ihr sowohl Betroffene, als auch „Professionals“, wie Tierärzte, tiermedizinische Fachangestellte, Hundetrainer und andere Personen, die beruflich mit Tieren arbeiten. Was zeichnet euer Konzept aus?
CN: Unser Konzept basiert auf dem Verständnis dafür, dass die Trauer um ein Haustier mindestens genauso ernst genommen werden sollte wie jeder andere Verlust. Durch zunehmende Emotionalisierung von Haustieren, die für die meisten Tierhalter als vollwertiges Familienmitglied zählen, ändert sich zunehmend auch der Umgang mit der Trauer. Das muss in unserem Umfeld erstmal ankommen und wir sehen es als eine unserer Aufgaben, diesen Prozess zu unterstützen und Tiertrauer zu thematisieren.
Wir bieten einerseits gezielte Trauerbegleitung für Tierbesitzer, zum Beispiel auch Module speziell für Familien mit Kindern an, denn hier herrscht oft Unsicherheit darüber, was dem Kind zugemutet werden kann und was nicht an. Diese Module werden von professionellen Trauerbegleitern durchgeführt - entweder in Einzelcoachings oder im Rahmen einer Online Gruppe. Hier geht es oft darum, gemeinsam zu identifizieren, was von der gemeinsamen Zeit bestehen bleibt, womit dann ein neuer Blick auf die Situation entsteht - neben dem Schmerz. Zusätzlich schulen wir Tierärzte, TFAs und andere Experten aus dem Haustier-Umfeld, die beruflich mit dem Thema in Berührung kommen, um sie für die emotionalen Herausforderungen in ihrem Arbeitsalltag zu stärken bzw. Verständnis aufzubauen, wie man beispielsweise als Tierversicherer oder Dienstleister mit betroffenen Tierhaltern umgehen sollte, wenn man sie auch in diesem Abschnitt kompetent begleiten möchte.
Bei beidem kombinieren wir psychologische Ansätze mit praktischen und gelegentlich auch kreativen Strategien, um sowohl die Betroffenen als auch die Professionals in dieser schwierigen Zeit bestmöglich zu unterstützen und Werkzeuge zur Verfügung zu stellen, die bei der Verarbeitung sinnvoll sind.
Im Bereich der Tiermedizin ist es uns sehr wichtig, das Thema von zwei Seiten zu beleuchten: Was für Besonderheiten zeigen sich möglicherweise beim Tierhalter und somit im Patientenkontakt als Reaktion auf den Verlust? Aber auch: Wie schütze ich mich und mein Team nach Erlebnissen wie einer Euthanasie, einem Notfall oder schweren Diagnose? Und mit welchen Strategien können entsprechende Situationen aus dem Beruf besser verarbeitet werden?
SG: Die Euthanasie eines Tieres, egal wie alt oder schwerkrank es sein mag, ist eine absolute Stresssituation für die Besitzer. Wie kann ich diese Situation für die Tierbesitzer vielleicht mit kleinen Gesten oder Worten etwas angenehmer gestalten?
CN: Ja, das ist ohne Frage der Fall und nicht selten kommt in diesem Moment auch das Thema der Schuld auf: “Ist der Zeitpunkt für eine Euthanasie jetzt richtig?” “Hätte ich früher agieren müssen, hätte ich länger warten sollen.” etc.
Nicht vergessen sollten wir alle aber auch, dass es letztlich eine sehr herausfordernde Situation für beide Seiten ist, neben Halter und Tierarzt selbst, auch für das Praxisteam.
Einen großen Einfluss für beide Seiten hat die Kommunikation und toll (wenn realisierbar) ist ein Vorab-Gespräch, das dem Tierhalter den Ablauf und das “danach” klar, aber behutsam nahe bringt. Sprich: Wie genau läuft die Euthanasie ab? Was passiert wann und wichtig auch - was passiert danach mit dem Tier? Welche Optionen gibt es? Oft wird das nicht mitbedacht, weil beide Seiten annehmen, der andere würde sich darum kümmern. Und dann steht man mit einem 30 kg Labrador beim Euthanasietermin…
Das vorab genau durchzusprechen hilft, einen Teil der Unsicherheit abzufedern, die einen sonst auch noch begleitet.
Neben einem empathischen, aber professionellen Umgang im Moment der Euthanasie selbst, ist es hilfreich, wenn dem Tierhalter ein paar private Minuten mit dem Tier eingeräumt werden, um sich in Ruhe zu verabschieden. Das sollte dann auch entsprechend formuliert werden - z.B. so: “Wenn Sie möchten, lasse ich Sie jetzt noch 5 Minuten alleine, damit Sie sich in Ruhe verabschieden können und dann komme ich wieder.” Oft scheinen diese kleinen Dinge ganz klar, aber nicht selten passieren sie einfach nicht. Daneben gibt es noch andere kleine Hebel, wie z.B. das Thema, wie man die Praxis nach der Euthanasie verlassen kann, ohne durch ein Wartezimmer voller Tiere gehen zu müssen, wann und wie die Rechnung abgewickelt wird und andere “Stolpersteine”.
Wenn man sich also den gesamten Prozess ansieht, gibt es sicher bei uns allen an der ein oder anderen Stelle etwas Luft nach oben.
SG: Im Notdienst passiert es leider nicht selten, dass sehr schwer kranke Tiere auftauchen, bei denen nach der Untersuchung und gegebenenfalls weiterführender Diagnostik klar ist, dass Ihnen nur noch mit einer Euthanasie geholfen werden kann. Oft muss diese auch zeitnah erfolgen, so dass der/die TierbesitzerIn zum einen schockiert und überfordert ist, zum anderen bleibt keine große Zeit mehr zur Verabschiedung, sondern je nach Schwere der Symptomatik nur wenige Minuten bis Stunden. Zudem muss in diesem Fall häufig dieser einschneidende Schritt der Euthanasie bei einem völlig fremden Tierarzt durchgeführt werden, den der/die TierhalterIn nicht kennt und daher auch keine große Vertrauensbasis da ist. Was würdet ihr in diesen Fällen raten? Teilweise schlägt diese emotionale Überforderung auch in Aggressionen um. Was kann man tun, um die Situation zu entschärfen?
CN: In solchen Situationen ist es wichtig, Ruhe zu bewahren, was sicher nicht einfach ist, und klar und einfach zu kommunizieren. Einfühlsame Worte wie “Ich weiß, dass das gerade unglaublich schwer für Sie ist” können helfen, die emotionale Welle etwas abzufedern. Berührungen nur sehr wohl dosiert einsetzen, je nachdem wie das Vertrauensverhältnis ist, da bei einer solch emotionalen Intensität das auch nach hinten losgehen kann. Wenn der Abschied schnell erfolgen muss, kann ein kurzes, aber liebevolles Ritual wie ein Streicheln des Tieres oder das Anzünden einer kleinen Kerze vor allem im Rückblick Trost spenden. Trotzdem ist es für die meisten ein schrecklicher Moment und das können wir hier nicht schön reden und als Tierarzt auch nicht vermeiden.
Wichtig ist zu wissen: Aggression und Wut können Gesichter der Trauer sein - für das verständliche “Nicht-Wahrhaben-Wollen” stehen. Wenn umsetzbar, sollte man das nicht persönlich nehmen, sondern Verständnis zeigen: “Ich verstehe, dass Sie gerade wütend sind. Das ist für uns alle nachvollziehbar. Lassen Sie uns jetzt als Team gut zusammenarbeiten.” Falls unumgänglich, eine weitere Kollegin/Teammitglied hinzurufen. Und Achtung: Auch hier ist Schuldzuweisung, diesmal in Richtung der behandelnden Ärzte, nicht ungewöhnlich, dass man als behandelnder Arzt auch so für sich richtig einordnen sollte.
SG: Nicht selten geschieht es, dass die TierhalterInnen in ihrer Trauer vor einem zusammenbrechen. Teilweise werden auch Aussagen wie „Da können Sie mich auch gleich mit einschläfern.“ getätigt. Für uns als TierärztInnen tut dies sehr weh und wir möchten gern helfen, sind aber nicht ausreichend ausgebildet oder geschult. Wie reagiert man in diesen Momenten richtig? An welche Stellen kann man Tiertrauernde verweisen? Gibt es auch Selbsthilfegruppen oder ähnliches?
CN: Auch hier den Fokus darauf legen, so ruhig wie möglich zu bleiben und sich nicht von der eigenen Empathie zu sehr aus dem Konzept bringen zu lassen. Lieber versuchen, den Trauernden das Gefühl zu geben, gehört zu werden und ihnen zeigen, dass der Schmerz gezeigt werden darf und man ihn absolut nachvollziehen kann. Auch etwas triviales, wie einen Platz zum Sitzen anbieten. Ebenso kann ein Hinweis auf professionelle Unterstützung durch beispielsweise einen Trauerbegleiter oder Selbsthilfegruppen helfen. Am besten man hat für Fälle wie diesen sich dann schon ein kleines Netzwerk vorbereitet und kann Kontakte zu spezialisierten Angeboten an die Tierhalter weitergeben.
Ein Flyer oder Visitenkarten entsprechender Anlaufstellen sind hilfreich, um den Betroffenen konkrete Hilfsangebote zu nennen und dadurch selbst auch zu wissen, dass man dadurch erste Optionen für die Folge-Unterstützung an die Hand gegeben hat.
Am besten intuitiv auf das Bauchgefühl hören, wer was in diesem Moment braucht.
SG: Die Erinnerung an das geliebte Tier ist wichtig. Ihr bietet auf eurer Webseite auch Urnen und Erinnerungsstücke, sowie kreative Ideen zur Tiertrauerbewältigung an. Erzähl doch gern dazu noch etwas mehr!
CN: Das ist eines meiner Lieblingsthemen, aber auch ein Thema, das mich oft auf die Palme bringt. Nicht jedes Erinnerungsstück ist aus psychologischer Perspektive sinnvoll. Die meisten laufen sogar Gefahr, das Gegenteil zu bewirken, da beispielsweise eine Haarlocke, die vom eingschläferten Tier abgeschnitten und dann in einem Amulett um den Hals getragen wird, immer auch an diesen schweren Moment erinnert. Aber viele Menschen machen sich das nicht bewusst und sind zudem in diesem schwachen Moment empfänglich, auch aus der Angst heraus die Chance, so etwas aufzuheben, zu verpassen. Ohne da sehr spirituell zu sein, haben alle Erinnerungsstücke viel mit Energie zu tun. Wir wollen diesen Bereich aufbrechen und wertvolle und ästhetisch schöne Dinge mit Künstlern und Kreativen entwickeln, die dem Trauerprozess auch psychologisch gut tun und weggehen vom Schmerz und rein in die positiv behaftete Erinnerung, die eher von innen wärmt.
Abbildung: Eine Urne von Ciao Miao entstanden als Kooperation zwischen Ciao Miao und Onka Allmayer Beck
Zum Weiterlesen
Große Umfrage zum Thema Haustiertrauer von Wamiz: https://wamiz.de/hund/ratgeber/16283/trauer-um-haustiere-so-ticken-wir-deutschen-wenn-unser-hund-oder-unsere-katze-stirbt
https://hunderunden.de/gefluester/tiertrauer
https://link.springer.com/article/10.1007/s00787-020-01594-5
https://www.amazon.de/Abschied-vom-geliebten-Hund-loslassen
https://www.amazon.de/dp/3899939778?ref=ppx_yo2ov_dt_b_fed_asin_title