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10 Apr 2024

Notfallmedizin: Immer schön die Ohren steif halten! - Tetanus bei Hund und Katze

Notfallmedizin: Immer schön die Ohren steif halten! - Tetanus bei Hund und Katze
Der Tetanus (Wundstarrkrampf) ist eine Erkrankung, die die Menschheit dokumentiert bereits seit über zweitausend Jahren begleitet. Bereits der antike Arzt Hippokrates von Kos (etwa 460 bis 370 v. Chr.) erkannte die sogenannte „Tetanus-Triade“, nämlich den Zusammenhang zwischen der Wunde, dem anschließenden Kieferkrampf und letztlich dem Tod des Patienten.

 

Doch wodurch wird Tetanus eigentlich ausgelöst?

Bis diese Frage geklärt wurde, mussten viele hunderte Jahre ins Land ziehen. Heute wissen wir, dass Tetanus durch eine Wundinfektion mit dem grampositiven Bakterium Clostridium tetani ausgelöst wird, dessen Sporen ubiquitär im Erdboden vorkommen. Die vegetative Form des Erregers kann unter anaeroben Bedingungen die Tetanustoxine Tetanospasmin und Tetanolysin bilden. Während Tetanolysin hämolysierend und kardiotoxisch wirkt, werden durch Tetanospasmin die für den Tetanus typischen Muskelspasmen ausgelöst. Zum größten Teil tritt Tetanospasmin im Bereich der neuromuskulären Endplatte in das Nervengewebe ein und gelangt über retrograden Transport entlang der peripheren Nerven ins zentrale Nervensystem. Durch die irreversible Blockade der hemmenden Interneurone des Rückenmarks und des Gehirns verhindert Tetanospasmin die Freisetzung von Glycin und y-Aminobuttersäure (GABA), wodurch es zu unkontrollierten Aktivierungen der α-Motoneuronen und somit zur Verkrampfung der quergestreiften Muskulatur kommt. Eine weitere Verteilung im Organismus bei hoher Toxinlast beruht auf einer hämatogenen Ausbreitung zu anderen neuromuskulären Endplatten, sowie auf das direkte Eindringen des Toxins ins ZNS durch Penetration des vierten Ventrikels. Veränderungen der autonomen Funktionen werden durch Bindung des Toxins an sympathische präganglionäre Neurone verursacht. 

Tetanus kommt bei unseren Kleintieren regelmäßig, aber selten vor. Dies wird durch eine verminderte Empfindlichkeit unserer Hunde und Katzen gegenüber dem Toxin Tetanospasmin im Vergleich zum Mensch oder Pferd verursacht. So sind Hunde 600-mal und Katzen sogar 7200-mal resistenter gegen das Tetanustoxin im Vergleich zum Pferd.

 

Welche Symptome sind beim Tetanuspatienten zu erwarten?

Beim Tetanus werden eine fokale und eine generalisierte Form unterschieden. Bei der fokalen Form zeigen sich die typischen Muskelkontraktionen nur lokal im Gebiet nahe der Eintrittswunde, was zum Beispiel zu einer spastischen Gliedmaße führen kann. Bei einer Eintrittspforte des Erregers im Kopfbereich (zum Beispiel Zahnfrakturen) können Trismus (Kieferklemme) oder der typische Risus sardonicus, bei dem die Lefzen zu einem „Teufelsgrinsen“ nach hinten gezogen werden, beobachtet werden. Weitere Veränderungen im Gesichtsbereich sind oft steil aufgerichtete und zusammengezogene Ohren mit deutlicher Stirnfaltenbildung, sowie ein beidseitiger Enophthalmus mit Nickhautvorfall. Bei der generalisierten Form zeigen die Patienten am gesamten Körper Muskelspasmen, die, so lange die Tiere noch stehfähig sind, oft zu einer Sägebockhaltung führen. Der Schwanz wird oft nach dorsal spastisch abgestellt.  Beim weiteren Fortschreiten der Erkrankung kommt es zum Festliegen der Tiere und die Patienten können einen Opisthotonus durch die Kontraktion der Nackenmuskulatur zeigen.

Katzen sind laut Literatur häufiger von der fokalen Form betroffen, wobei wir tatsächlich nur einige wenige generalisiert betroffene Tiere im Patientengut nachweisen konnten. Bei den Hunden überwiegt nach unserer Erfahrung die generalisiert betroffene Form, bei der die Tiere aber noch nicht festliegend, sondern noch gehfähig sind.